Soldatenkaiser

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Kaiser Decius. Soldatenkaiser ließen sich häufig in Rüstung oder zumindest behelmt darstellen.

Als Soldatenkaiser werden in der althistorischen Forschung oft die Kaiser bezeichnet, die im Zeitraum von 235 bis 284/85 die Macht im Römischen Reich ausübten. Der Begriff bezieht sich darauf, dass viele Herrscher in diesen Jahrzehnten ihre Macht dem Heer verdankten und große Teile ihrer Herrschaft mit Feldzügen verbrachten. Wenngleich auch andere Kaiser ihren Aufstieg dem Militär verdankten und die Macht der römischen Kaiser von Anfang an in erster Linie auf ihrer Kontrolle über das römische Heer beruhte, ist der Forschungsbegriff in erster Linie auf diesen Zeitraum bezogen.[1] In der älteren Forschung wurden teilweise auch die Kaiser der Jahre 180–235 (Commodus und die Severer) beziehungsweise 284–305 (Diokletian) zu den Soldatenkaisern gezählt.

In die Zeit der Soldatenkaiser fällt die sogenannte Reichskrise des 3. Jahrhunderts, in der das Imperium sowohl einer verstärkten Bedrohung von außen ausgesetzt war als auch im Inneren mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatte (zu Details siehe dort).

Begriffsbestimmung

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Der Begriff „Soldatenkaiser“ wurde bereits im 19. Jahrhundert geprägt, aber insbesondere durch Franz Altheim (um 1940) populär gemacht.[2] Er ist vorwiegend in der deutschsprachigen Forschung gebräuchlich und wird aus den Schilderungen der antiken Geschichtsschreiber abgeleitet, die in der Regel eher senatsfreundlich eingestellt waren.[3]

Eine exakte, allgemein akzeptierte Definition von „Soldatenkaiser“ existiert nicht. Eine Abgrenzung zu anderen römischen Herrschern fällt auch deshalb schwer, weil sich diese bereits seit Augustus ausnahmslos auf die Macht der Legionen stützten. Mit dem daher durchaus problematischen, fast nur in der deutschsprachigen Forschung üblichen Begriff „Soldatenkaiser“ wird aber meist das besonders stark auf das Militär bezogene Kaisertum des 3. Jahrhunderts bezeichnet, das die Rolle des Senats (der in der Kaiserzeit ohnehin nur von geringer politischer Bedeutung war) und der stadtrömischen Bevölkerung noch stärker als früher marginalisierte: Seit 235 hielten sich die meisten Herrscher nur noch ausnahmsweise in Rom auf, sondern weilten die meiste Zeit bei den Grenztruppen. Viele Soldatenkaiser, vor allem seit 268, waren zudem keine Senatoren, sondern hatten sich vor ihrer Machtübernahme im Heer hochgedient und verdankten ihre Herrschaft unmittelbar den von ihnen befehligten Truppen.

Der Beginn der „Soldatenkaiserzeit“, die gemeinhin als der letzte Abschnitt des Prinzipats bzw. der Hohen Kaiserzeit gilt, wird in das Jahr 235 gesetzt, in dem Soldaten den letzten Severer Severus Alexander töteten und mit Maximinus Thrax einen ihrer Kommandeure zum Kaiser erhoben (dazu und zur folgenden Zeit siehe Reichskrise des 3. Jahrhunderts).[4] Als Endpunkt der Soldatenkaiserzeit wird traditionell der Regierungsantritt Diokletians 284/85 angesehen, mit dem man auch gewöhnlich die Spätantike beginnen lässt, denn Diokletian nahm eine grundlegende Neuordnung des römischen Staates vor und beendete die Periode der häufigen gewaltsamen Machtwechsel. Zwar kam es auch später noch zur Erhebung von Kaisern aus den Reihen des Heeres, doch handelte es sich dabei nicht mehr um die rasche Folge von Umstürzen, welche die Soldatenkaiserzeit geprägt hatten. Die Soldatenkaiser hatten unterschiedliche persönliche Hintergründe. Manche waren von bescheidener Herkunft und relativ ungebildet und konzentrierten sich auf die ihnen vertrauten militärischen Aufgaben; andere, wie etwa Decius, Valerian oder Gallienus, gehörten hingegen noch der senatorischen Oberschicht an.

Auch wenn 284 in vielerlei Hinsicht einen sinnvollen Einschnitt markiert, kam der definitive Endpunkt der Soldatenkaiserzeit allerdings erst im späten 4. Jahrhundert, als sich die enge Beziehung zwischen Armee und Kaiser lockerte und die Herrscher aufhörten, persönlich mit dem Heer ins Feld zu ziehen. Spätestens nach der sogenannten Reichsteilung von 395 waren sie zu Palastkaisern geworden. Davon zu unterscheiden sind die verschiedenen Usurpationen und Erhebungen von Gegenkaisern in späterer Zeit.[5]

Liste der Soldatenkaiser

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Zu den einzelnen Kaisern vgl. auch den Überblick in dem von Klaus-Peter Johne herausgegebenen Handbuch.[6]

Name Vollständiger Name Regierungszeit Anmerkungen
Frühe Soldatenkaiser
Maximinus Thrax Gaius Iulius Verus Maximinus 235–238 gegen Severus Alexander; Caesar: Maximus (ab 236)
  Magnus (Gaius Petronius?) Magnus 235? Usurpator in Obergermanien; Nachfolger: Quartinus (235?)
Gordian I. Marcus Antonius Gordianus Sempronianus Romanus Africanus 238 Gegenkaiser in Africa, mit Gordian II.
Pupienus Marcus Clodius Pupienus Maximus 238 mit Balbinus, gegen Maximinus Thrax
Gordian III. Marcus Antonius Gordianus 238–244 238 Caesar unter Pupienus und Balbinus; Regenten: Gordiana (?, bis 241), Timesitheus (241–243)
  Sabinianus (Marcus Asinius?) Sabinianus 240 Gegenkaiser in Africa
Philippus Arabs Marcus Iulius Philippus 244–249 Regent seit 243 (mit Priscus), ab 247 mit Philippus II. (Caesar seit 244)
  Pacatianus Tiberius Claudius Marinus Pacatianus 248–248/49 Gegenkaiser in Moesien und Pannonien
  Iotapianus Marcus F(ulvius?) Ru(fus?) Iotapianus 248/49–249 Gegenkaiser in Syrien und Kappadokien
  Sponsianus unbekannt ? Gegenkaiser in Dakien (?)
Decius Gaius Messius Quintus Traianus Decius 249–251 gegen Philippus Arabs, 251 mit Herennius Etruscus (Caesar seit 250); Regentin: Etruscilla (251)
  Valens Licinianus Iulius Valens Licinianus 250/51 Gegenkaiser in Rom
  Priscus (Lucius/Titus Iulius?) Priscus 250/51 Gegenkaiser in Thrakien (durch Kniva?)
Trebonianus Gallus Gaius Vibius Trebonianus Gallus 251–253 mit Hostilian (251, Caesar seit 250) und Volusianus (Caesar 251)
Aemilianus Marcus Aemilius Aemilianus 253 gegen Trebonianus Gallus
Valerian Publius Licinius Valerianus 253–260 gegen Aemilianus, mit Gallienus
  Silbannacus Mar(inus?) Silbannacus 253? Gegenkaiser in Rom (?)
  Uranius Antoninus Lucius Iulius Aurelius Sulpicius Severus Uranius Antoninus 253–254 Gegenkaiser in Syrien
Gallienus Publius Licinius Egnatius Gallienus 253–268 Mitkaiser im Westen (Caesar 253), 260 Alleinherrscher, mit Saloninus (260, Caesar seit 258) und Marinian (268); Caesar: Valerian II. (256–258); Rex Regum: Odaenathus (263–267, Osten, mit Herodian)
  Regalianus Publius C(assius?) Regalianus 260 Gegenkaiser in Pannonien und Moesien; Vorgänger: Ingenuus (260?)
Macrianus Titus Fulvius Iunius Macrianus 260–261 Gegenkaiser im Osten, mit Quietus (beide durch Macrianus Maior und Ballista); Vorgänger: ?Mareades (260, Syrien, durch Schapur I.); Nachfolger: Mussius Aemilianus (261–262), ?Memor (262, beide Ägypten)
  Valens Valens Thessalonicus 261 Gegenkaiser in Makedonien (oder Griechenland?); Gegenkaiser: ?Piso
  Celsus unbekannt ? angeblicher Usurpator in Africa
  Trebellianus unbekannt ? angeblicher Usurpator in Kilikien
  Aureolus unbekannt 268 Usurpator in Norditalien
Kaiser des Imperium Galliarum
Postumus Marcus Cassianius Latinius Postumus 260–269 gegen Gallienus; angeblicher Caesar und Mitkaiser: Postumus II.
  Laelianus (Gaius?) Ulpius Cornelius Laelianus 269 Gegenkaiser in Obergermanien
Marius Marcus Aurelius Marius 269 durch Victoria (?)
Victorinus Marcus Piav(v)onius Victorinus 269–271 gegen Marius (?); Regentin: Victoria (271); angeblicher Caesar: Victorinus II.
Domitianus unbekannt 271? gegen Victorinus (?)
Tetricus I. Gaius Pius Esuvius Tetricus 271–274 gegen Domitianus (?, durch Victoria); Caesar: Tetricus II. (ab 272/73)
  Faustinus unbekannt 273/74 Usurpator in Nordgallien
Späte Soldatenkaiser
Claudius Gothicus Marcus Aurelius (Valerius) Claudius 268–270
  Censorinus unbekannt ? angeblicher Usurpator in Italien
Quintillus Marcus Aurelius Claudius Quintillus 270
Aurelian Lucius Domitius Aurelianus 270–275 gegen Quintillus, ab 274 Alleinherrscher; Regentin: Severina (?, 275)
  Felicissimus unbekannt 271? Usurpator (?) in Rom
  Septimius unbekannt 271/72 Gegenkaiser in Dalmatien
  Urbanus unbekannt 271/72 Usurpator in ?
Vaballathus Lucius Iulius Aurelius Septimius Vabal(l)athus Athenodorus 272 Gegenkaiser im Osten, Rex Regum seit 267 (ab 270 nominell Mitregent Aurelians); Regentin: Zenobia; Vorgänger: ?Maeonius (267); Nachfolger: Antiochus (273, beide Syrien), ?Firmus (273, Ägypten)
Tacitus Marcus Claudius Tacitus 275–276
Florianus Marcus Annius Florianus 276
Probus Marcus Aurelius Probus 276–282 gegen Florianus
  Septimius Lucius Septimius ? 280/81 Usurpator (?) in Britannien
  Proculus unbekannt 280/81 Gegenkaiser in Niedergermanien (und Nordgallien?), mit ?Bonosus
  Saturninus (Gaius?) Iulius Saturninus 281 Gegenkaiser in Syrien (und Ägypten?)
Carus Marcus Aurelius Carus 282–283 gegen Probus (?)
Carinus Marcus Aurelius Carinus 283–285 283 Mitkaiser im Westen (Caesar seit 282), bis 284 mit Numerian (Osten, Caesar seit 282) und Nigrinian
  Sabinus Julianus Marcus Aurelius Sabinus Iulianus 284–285 Gegenkaiser in Pannonien und Norditalien
Name Vollständiger Name Regierungszeit Anmerkungen
  • Andreas Alföldi: Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3. Jahrhunderts nach Christus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1967.
  • Clifford Ando: Imperial Rome AD 193 to 284. The Critical Century. Edinburgh University Press, Edinburgh 2012.
  • Ben N. Berressem: Die Repräsentation der Soldatenkaiser. Studien zur kaiserlichen Selbstdarstellung im 3. Jh. n. Chr. (= Philippika. Band 122). Harrassowitz, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-447-11032-7.
    Studie zur Bautätigkeit und den Porträts der Soldatenkaiser sowie ihrer Familien.
  • Matthias Haake: Zwischen Herrschertypus und Epochenbegriff. Eine begriffsgeschichtliche und wissenschaftsgeschichtliche Archäologie des Burckhardtschen Pseudoneologismus ‚Soldatenkaiser‘. In: History of Classical Scholarship. Band 4, 2022, S. 127–180 (online).
  • Felix Hartmann: Herrscherwechsel und Reichskrise. Untersuchungen zu den Ursachen und Konsequenzen der Herrscherwechsel im Imperium Romanum der Soldatenkaiserzeit (3. Jh. n. Chr.). Lang, Frankfurt/Main 1982, ISBN 3-8204-6195-7.
  • Olivier Hekster: Rome and its Empire, AD 193–284. Edinburgh University Press, Edinburgh 2008.
  • Klaus-Peter Johne u. a. (Hrsg.): Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert und ihre Rezeption in der Neuzeit. Steiner, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-515-08941-8.
    Sammlung aktueller Aufsätze von internationalen Fachleuten.
  • Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284). 2 Bände, Akademie Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-05-004529-0.
    Grundlegendes Handbuch zur Ereignisgeschichte und den strukturellen Aspekten der Soldatenkaiserzeit.
  • Michael Sommer: Die Soldatenkaiser (Geschichte kompakt). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17477-1 (Rezension).
  • Karl Strobel: Das Imperium Romanum im 3. Jahrhundert. Modell einer historischen Krise?. Steiner, Stuttgart 1993, ISBN 3-515-05662-9.
    Mentalitätsgeschichtliche Studie, in der bestritten wird, dass die breite Bevölkerung das 3. Jahrhundert als tiefe Krise empfand.
  • Gerold Walser, Thomas Pekáry: Die Krise des römischen Reiches. Bericht über die Forschungen zur Geschichte des 3. Jahrhunderts (193–284 n. Chr.) von 1939 bis 1959. de Gruyter, Berlin 1962.
    Nur für Experten zu empfehlende Sammlung von Detailstudien.
  • Christian Witschel: Krise – Rezession – Stagnation? Der Westen des römischen Reiches im dritten Jahrhundert n. Chr. Clauss, Frankfurt/Main 1999, ISBN 3-934040-01-2.
    Studie zur Aussagekraft der vorliegenden Quellentypen zum 3. Jahrhundert und zu den starken regionalen Unterschieden der Entwicklungen im römischen Reich.
  1. Grundsätzlich zu den Forschungsfragen und verschiedenen Einordnungen siehe zusammenfassend Thomas Gerhardt: Forschung. In: Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. Band 1. Berlin 2008, S. 125ff.
  2. Vgl. Matthias Haake: Zwischen Herrschertypus und Epochenbegriff. Eine begriffsgeschichtliche und wissenschaftsgeschichtliche Archäologie des Burckhardtschen Pseudoneologismus ‚Soldatenkaiser‘. In: History of Classical Scholarship 4, 2022, S. 127 ff.
  3. Guter Überblick bei Matthäus Heil: „Soldatenkaiser“ als Epochenbegriff. In: Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Deleto paene imperio Romano. Stuttgart 2006, S. 411 ff.
  4. Vgl. zur Diskussion Henning Börm: Die Herrschaft des Kaisers Maximinus Thrax und das Sechskaiserjahr 238. Der Beginn der „Reichskrise“? In: Gymnasium 115, 2008, S. 69 ff.
  5. Überblick zu den diversen Usurpationen in der Zeit der Reichskrise bei Heiko Marenda: Verlorene Herrscher. Usurpatoren unter den Soldatenkaisern (235-285). Darmstadt 2023.
  6. Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. 2 Bände, Akademie Verlag, Berlin 2008.